30. September 2004
Quelle: World Tibet News

China: Auf dem Weg in die Demokratie oder den Faschismus?

China: Towards Democracy or Fascism?
von Jamyang Norbu

(Dies ist ein Auszug aus dem noch nicht veröffentlichen Buch "Buying the Dragon's Teeth (Über den Kauf von Drachenzähnen): Wie Ihr Geld ein grausames und gefährliches kommunistisches Regime in China unterstützt und Arbeitsplätze, ganze Industrien und die Freiheit zu Hause untergräbt", High Asia Press, New York. Das Buch soll in New York am 25. Oktober 2004 veröffentlicht werden. Mehr Informationen bei highasia@earthlink.net).

Optimistische Berichte über einen langsamen aber ständigen Fortschritt hin zu einer demokratischen Regierungsform in China beruhen entweder auf einer nur dem eigenen Nutzen dienenden Analyse oder auf reinem Wunschdenken. Ein "Beweis", der gewöhnlich für Chinas Demokratisierung angeführt wird, ist die Entscheidung der Kommunistischen Partei (CCP) aus dem Jahre 2002, Unternehmer als Mitglieder aufzunehmen. Einem Bericht Joseph Kahns über den 16. Parteikongreß in Beijing in der New York Times zufolge hat dies jedoch nichts weiter bewirkt, als "die letzte große Links-Diktatur der Welt in die letzte große Rechts-Diktatur der Welt zu verwandeln". Was darüber hinaus in vielen Berichten zu erwähnen vergessen wurde ist, daß beinahe alle Führungskräfte in Finanz, Wirtschaft und Industrie in China ausnahmslos nahe Verwandte, Söhne, Töchter, Neffen, Ehefrauen usw. hochrangiger Funktionäre der Kommunistischen Partei Chinas sind.

Die New York Times druckte einen Leitartikel Bao Tongs über den 16. Parteikongreß ab - des höchsten Parteikaders, der beim Tiananmen Protest eingesperrt worden war, inzwischen aber freigelassen wurde, jedoch unter ständiger Polizeiüberwachung steht. Bao Tong erklärte, die Annahme, China bewege sich in Richtung Demokratie sei doch wohl "unvernünftig". Er stellt die Frage: Was ist der Unterschied, wenn ältere autoritäre Politiker durch jüngere, technisch besser ausgebildete oder gar kapitalistische ersetzt werden? Kein großer."

Jasper Becker, der ehemalige Leiter des Pekinger Büros der South China Morning Post hat vor kurzem in einem Artikel eine detaillierte Analyse von Chinas politischer Metamorphose veröffentlicht. Dies ist seine Theorie über die Entstehung dieser Verwandlung: "Nachdem ihnen klar geworden ist, daß das Ende des Kommunismus die CCP um ihre Ideologie und somit um ihre Existenzberechtigung gebracht hat, verwandeln Jiang (Zemin), Hu (Jintao) und ihresgleichen China still und leise in einen faschistischen Staat, der auffällig an seine Vorgänger aus den 20er Jahren erinnert - diese Art stark nationalistisch geprägter Rechts-Diktaturen, die sich in den 20er und 30er Jahren in Deutschland, Spanien, Japan, Rumänien und insbesondere in Italien herausgebildet haben. Seit mindestens Ende der 80er Jahre haben die Führer der CCP wirtschaftliche Programme eingeleitet, die an die faschistische Idee eines "geplanten Kapitalismus" erinnern. Zur Ergänzung ihrer wirtschaftspolitischen Grundsätze hat die CCP ein neofaschistisches politisches Programm von Massenkundgebungen, nationalistischer Indoktrination und Parteikontrolle über das private Leben der Menschen entwickelt".

Ob ein Wechsel vom Kommunismus zum Faschismus als eine Verbesserung angesehen werden kann, ist selbstverständlich eine Sache der eigenen politischen Einstellung, aber er kann sicher nicht als ein Schritt in Richtung Demokratie betrachtet werden. China erfüllt nicht einmal die Minimal-Anforderungen, um sich als eine Demokratie zu qualifizieren, noch nicht einmal auf dem durchaus zweifelhaften Niveau eines Simbabwes von Robert Mugabe, das immerhin ein Parlament und eine Oppositionspartei hat, wenn auch eine sehr eingeschränkte. Wie Jasper Becker es nennt, liegt in diesen Dingen etwas Entscheidendes: "China ist jetzt eines der letzten Länder in der Welt ohne ein normal funktionierendes Parlament. Der Nationale Volkskongreß existiert zwar, hat aber kein eigenes Gebäude, kein ständiges Personal oder eigene Büros und er tritt für lediglich zehn Tage im Jahr zusammen. Während der übrigen Zeit treffen sich nur die Mitglieder des Ständigen Ausschusses, der sich gänzlich aus höheren Parteifunktionären zusammensetzt."

Sogar das wenig schmeichelhafte Etikett eines "Debattierklubs", das gewöhnlich einer "zahnlosen" Versammlung oder machtlosen politischen Organisation verpaßt wird, kann auf den Volkskongreß in China nicht angewandt werden, da von den Mitgliedern dieses Gremiums keine Debatten irgendwelcher Art geduldet werden. Ein westlicher Korrespondent berichtete über den Partei-Kongreß, daß die Diskussionen sich wie Rezitationen anhörten und die Hauptansprache des Präsidenten "eigentlich nur im Hinblick auf ihre Unbestimmtheit bemerkenswert war". Er erwähnte weiterhin, daß die 2.114 Personen, die gewählt wurden, um auf diesem Kongreß über die Zukunft der Partei zu entscheiden, niemals eine Debatte über jene wichtigen Fragen (nämlich wer regieren sollte) führen. Statt dessen trafen sich an diesem Wochenende nur kleine Gruppen, die auf den richtigen, ihnen nach ihrem Rang zugewiesenen Plätzen saßen und Berichte verlasen, in denen sie ihre Loyalität gegenüber den höher gestellten Parteifunktionären bekundeten."

Ein klares Anzeichen für Chinas ungebremsten Rückfall in einen antidemokratischen Autoritarismus ist sein Versuch, die Autonomie und Demokratie von Hong Kong schrittweise zu untergraben, die der Zone in der Gemeinsamen Erklärung (Joint Declaration) von Großbritannien und China 1984 garantiert worden war. Peking zögert nicht, zu den während der Kultur-Revolution praktizierten Taktiken der öffentlichen Herabsetzung und Anklagen gegen Befürworter der Demokratie als "Clowns" und "Verräter" zurückzukehren. Im Verlauf der Jahre wurden Journalisten, Gastgeber von Talk-Shows im Radio und andere Stimmen der Demokratie in Hong Kong systematisch belästigt und in einer zunehmend "erstickenden" politischen Atmosphäre durch Gewalt- und Todesdrohungen eingeschüchtert.

Am 26. April 2004 rückte Peking schließlich mit der Wahrheit heraus und hat erklärt, es werde eine allgemeine Wahl für die oberste Exekutive Hong Kongs 2007 verhindern, womit jedwede weitergehende Anwendung eines demokratischen Wahlmodus für die Legislatur 2008 unmöglich gemacht wird. Peking wies alle diesbezüglichen Einwände seitens der britischen und der US-Regierung zurück und verlieh seiner Entscheidung dadurch Nachdruck, daß es die erste Militärparade abhalten ließ seit der Übergabe Hong Kongs 1997 von Großbritannien an China. Am 5. Mai glitt eine Flottille von acht chinesischen Kriegsschiffen - zwei Lenkwaffen-Zerstörer, vier Lenkwaffen-Fregatten und zwei Unterseeboote - gemächlich durch den Victoria Hafen, wobei sie die sichtbarste Route über die ganze Länge des Hafens wählte.

Nachtrag: Für alle, die von einer derartigen Analyse noch nicht überzeugt sind, hier noch einmal direkt aus erster Hand. Vor nur zwei Wochen, am 14. September 2004, hat Präsident Hu Jintao in einer wichtigen Ansprache an die Nation (übertragen im landesweiten Fernsehen) die Demokratie für China kategorisch abgelehnt. Und wir sollten nicht vergessen, daß dies nicht das erste Mal war, daß chinesische Führer so unverblümt ihre Ablehnung der Demokratie zugegeben haben. Im Dezember 1998 hat Präsident Jiang Zemin eindeutig und bestimmt vor der ganzen Nation erklärt, daß China nie den Pfad zur Demokratie beschreiten werde. Sozusagen um diesen Punkt noch einmal zu unterstreichen, hat er ihn ein paar Tage später wiederholt und dabei geschworen, daß China keinerlei Infragestellung des Machtmonopols der Kommunistischen Partei dulden werde.

Wie deutlich müssen die chinesischen Führer denn noch werden, damit wir von der Illusion ablassen, daß China bald eine Demokratie werden und es dann Tibet die "echte" Autonomie gewähren wird, die der Dalai Lama verlangt.